Hat man körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt erleben müssen, gibt es verschiedene Hilfsangebote. Beginnen möchte ich mal mit denen, die besonders einfach zu nutzen sind: Hilfetelefonhotlines und Onlineberatungen. Sie sind anonym, meist kostenlos und man hat kompetente Mitarbeiter am Hörer, die wirklich helfen können.
Auch für potentielle Täter*innen und Angehörige/Freunde sind diese Angebote gedacht. Schau auch auf den Websiten, dort gibt es viel Infomaterial.
- bei Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016 – www.hilfetelefon.de – online gibt es auch einen Chat, in 17 Sprachen, auch Gebärdensprache
- bei Gewalt gegen Männer: 0800 123 99 00 – www.maennerhilfetelefon.de – auch per Mail/Kontaktformular erreichbar
- bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche: 116 111 – www.nummergegenkummer.de – Onlineberatung möglich
- für Eltern, die sich sorgen oder überfordert sind: 0800 111 0 550 – www.nummergegenkummer.de – immer Mo – Fr 9 – 17 Uhr
- bei organisierter und rituallisierter Gewalt: 0800 30 50 750 – www.nina-info.de – Sprechzeiten Di, Mi und Fr
- allgemein bei allen Problemen und für alle: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 – www.telefonseelsorge.de – auch online oder per App möglich
- wenn man Opfer einer Straftat wurde: 116 006 – www.weisser-ring.de – der weiße Ring ist eine hochqualifizierte Institution und hilft bei allen Fragen und Anliegen, von Vergewaltigung bis Diskriminierung, ob vor oder nach der Anzeige
- bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche: 0800 22 55 530 – www.hilfe-portal-missbrauch.de – Onlineberatung möglich
- für alle muslimischen Personen mit egal welchen Problemen: 030 443 509 821 – www.mutes.de
- Onlineberatung für Kinder und Jugendliche, sowie Eltern: www.bke.de
- Onlineberatung für Kinder und Jugendliche in Not: www.jugendnotmail.de
- hier findest du noch mehr Nottelefone aufgelistet: www.sorgen-tagebuch.de/soforthilfe/notfalltelefone
Hilfetelefone sind klasse, denn man kann sie immer wieder nutzen, so lange man will und fast jederzeit. Wenn du Angst hast, dass dein Anruf entdeckt wird: lösche nach dem Telefonat die Nummer aus deiner Anrufliste und den Suchverlauf von deinem Browser/App. So sind diese Telefonate nicht nach verfolgbar.
Nimm wenn möglich dein Handy zum Anrufen, bei Festnetztelefonen kommt manchmal die Anrufliste mit der Rechnung per Post. Oder nutze ein öffentliches Telefon oder das eine*r Freund*in.
Wie geht’s weiter?
In jedem Fall ist es sinnvoll sich nach einer Gewalterfahrung so schnell wie möglich an die Polizei zu wenden.
Ich bin mir aber bewusst, dass dies nicht immer machbar ist. Inzwischen gibt es einige Kliniken in Deutschland bieten die Möglichkeit anonym und ohne die Polizei eine Untersuchung vorzunehmen und die Daten auf zu bewahren, so dass eventuell später eine Anzeite gestellt werden kann. Hier Infos dazu von der Rem-Murr-Klinik, die in meinem Kreis zuständig ist.
Ebenso kann man auch bei der/dem Gynäkolg*in oder Hausärzt*in des Vertrauens einen Termin machen, bestenfalls auch innerhalb von 3 Tagen. Abgesehen von einer Spurensicherung für die Anzeige, geht es ja immer auch darum Wunden und Verletzungen zu versorgen. Ärzt*innen haben eine Geheimhaltungspflicht, sprich also so offen es geht und bitte darum, dass keine Infos rausgegeben werden.
Eine weitere Anlaufstelle, besonders wenn das Erlebte schon eine Weile zurückliegt, sind Beratungsstellen. Je nach Gemeinde gibt es unterschiedliche Bezeichnungen und Träger, z. B.:
- Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt
- Partnerschafts- oder Familienberatung
- Deutscher Kinderschutzbund und dessen Ortgruppen
- Kinderschutzzentrum in der Nähe
- Beratungen für Kinder und Jugendliche (z. B. vom Jugendamt)
- Frauen helfen Frauen e.V.
- Frauen gegen Gewalt e.V.
- Beratungsstellen für Männer
- Beratungsstelle Gewaltopfer
- Beratungsstelle häusliche Gewalt
- und noch viele andere…
Entweder man googlet sich zur nächsten Beratungsstelle in der Umgebung durch oder nutzt auch hier ein Hilfetelefon, das weiter vermittelt. Hab auch keine Scheu einfach bei einem Amt, Caritas oder Diakonie anzurufen und dich durch zu fragen. Das ist dort an der Tagesordnung und völlig in Ordnung.
Beratungsstellen empfehle ich auch immer, weil sie nicht nur gut ausgebildetet Mitarbeiter*innen haben, sondern auch mit anderen Fachkräften in der Umgebung gut vernetzt sind und dich ggf. gut weiter vermitteln können.
Frauenhäuser, Kinderschutzzentren und Männerhäuser
Du erlebst als Frau jetzt gerade Gewalt, Missbrauch, wirst eingesperrt, psychisch/emotional manipuliert oder dir wird massiv gedroht?
Dann nimm Kontakt zum nächsten Frauenhaus auf. Hier kannst du danach suchen. Schau auf die Website des entsprechenden Hauses und ruf dort an oder schick eine Mail. Der Kontakt ist erstmal anonym und wenn ein Platz frei ist, kannst du jederzeit einziehen, auch mit deinen Kindern. Dort bist du in Sicherheit und wirst beraten. Auch Therapien gibt es inzwischen oft.
Ein Kinderschutzzentrum bietet Beratung, Therapie, Begleitung der Angehörigen und manchmal auch Unterbringungsmöglichkeiten. Hier kannst du nach einem in deiner Nähe suchen. Leider gibt es viel zu wenige dieser Zentren, aber ein langer Anfahrtweg lohnt sich meiner Erfahrung nach, denn die Kollegen dort sind wirklich sehr kompetent und bieten viele verschiedene Hilfen.
Männerhäuser und entsprechende Beratungsstellen findest du hier. Leider auch rar gesät in unserem Land, aber es gibt mit jedem Jahr mehr Angebote. Auch sie bieten gute Begleitung oder sogar Unterbringung. Wenn du dich gehemmt fühlst, Hilfe zu holen, denk dran, dass 19% der Partnerschaftsgewalt Männer betrifft und das kein Kavaliersdelikt ist. Du hast jede Hilfe verdient.
Finanzierung einer ambulanten Therapie
Nun zur therapeutischen Seite des Ganzen. Es gibt verschiedene Geldtöpfe, die man als Betroffne*r anzapfen kann.
Wer eine Anzeige bei der Polizei gestellt und nachgewiesenermaßen eine lang andauernde Schädigung durch die Tat hat, fällt unter das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Klassische Fälle körperlicher und sexueller Gewalt, Freiheitsberaubung und Kindeswohlgefährdung umfasst das OEG – Stalking und Drohungen leider (noch) nicht. Psychische Gewalt ist derzeit auch noch so ein Graubereich. Einen Versuch ist aber immer wert. Wird OEG bewilligt, kann man Heilleistungen, wie eine Therapie, und ggf. auch eine Grundversorgung abrechnen. Hier gibt es mehr Infos.
Für viele kommt jedoch die Auseinandersetzung mit Polizeit und entsprechenden Untersuchungen nicht in Frage. Dann greifen folgende Angebote:
Der weiße Ring bietet nicht nur ein Hilfetelefon, sondern auch Gutscheine für Therapien und juristische Beratungen. Sie arbeiten mit ausgewählten, regionalen Experten zusammen, bei denen man dann Termine macht.
Außerdem arbeitet der weiße Ring in Baden-Württemberg eng mit der Landesstiftung Opferschutz zusammen. Darüber laufen nochmal viele weiter Finanzierungen. Wie das in anderen Bundesländern aussieht, weiß ich nicht, gehe aber davon aus, dass es ähnliche Kooperationen gibt. Die Landesstiftung bietet bei Anspruch finanzielle Unterstützung bei materiellen Schäden, Schmerzensgeld und Gelder für Angehörige. Eine Verurteilung des Täters ist nicht zwingend nötig, aber gut zu haben. Für eine Therapie kann dann beispielsweise das Schmerzensgeld eingesetzt werden. Als ehrenamtliche Organisation kann man bei der Landesstiftung Gelder beantragen und dann ebenfalls für therapeutische Maßnahmen verwenden.
Der Fonds Sexueller Missbrauch ist eine deutschlandweite Maßnahme. Antragsberechtigt sind Personen, die als Kinder oder Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben mussten. Und zwar entweder in einer Institution, z. B. einem Kinderheim, oder in der Familie, darunter fallen auch Personen aus dem familären Umfeld oder Hausangestellte. Leider bietet der Fonds nur Unterstützung, wenn die Tat bis Juni 2013 statt gefunden hat. Trifft das aber auf dich zu, kannst du mit Geldern für diverse Therapieformen rechnen.
Ganz allgemein helfen Beratungsstellen vor Ort dir bei der Stellung von Anträgen, was mitunter recht kompliziert sein kann. Nutze diesen kostenfreien Service in jedem Fall.
Es gibt regional noch viele weitere Geldtöpfe von kleineren Initiativen und Vereinen. Wie gesagt, können Beratungsstellen auch hier am Besten informieren. Wir haben in Deutschland leider die Versorgungslücke im psychotherapeutischen Bereich und Krankenkassen, die sich manchmal sehr quer stellen. Trotzdem hast du einen Anspruch auf Hilfe und es gibt oft mehr Möglichkeiten, als man vorher denkt. Hol dir also Hilfe.